Geistesblitze
Advent, Advent
von Hinrich Franck
morgen 1.Advent und die gähnende Leere des Kühlschranks fordert:
"Du mußt nomma raus inne Kälte,"
also mit Packtaschen aufs Stahlross und im ZickZack durche Bretterbuden des Weihnachtsmarktes am illuminierten Chlodwigplatz,
wo sich Glühweingeschwängerte von „I‘m dreaming of a white christmas“ zuschnulzen lassen, Richtung Aldier-Sued, der, von meiner Bude aus, im Norden liegt, schließ das Pferdchen an einen freien Stellplatz, grüß en passant eine Mutter, die versucht, ihr schreiendes Baby aufm Arm zu beruhigen und gebe mich den Freuden gehemmten, weil ökologisch korrekten Konsums, mit einer Millionen anderer Wochenend-Einkäufer hin, die sich Samstagabend um die letzten frischen Lebensmittel kloppen,
und wie ich nun mit randvollen Ortliebs ausm Discounter komme,
findich den dikkn Fahrradschlüssel für meinen treuen Esel nicht,
Mist, verdammter !
suche und suche und suche,
krempel alle Hosen - und Manteltaschen um,
hol alle Lebensmittel aussen Packtaschen und stellse nebeneinander aufe Ablage: Kein Schlüssel weit&breit, nirgendwo, nix, niente, nischte = fott.
Geh wieder rein, frag beim Kassierer, dem ich grad mein ganzes Geld gegeben habe, erfolglos nach,
geh wieder raus und sag meinem Pferdchen und der Mutter mit schreiendem Baby aufm Arm noch: “Bin gleich wieder da“ und latsch mißvergnügt und schwerbepackt Richtung Süden, im ZickZack durche Bretterbuden des Weihnachtsmarktes am illuminierten Chlodwigplatz in meine Bude, denk, inna roten Schlüsselkiste is nErsatzschlüssel:
Mist, verdammter ! (die 2.)
habich wohl schonmal, bei ähnlichem Verlust gebraucht, und gleich vergessen, latsch also noch ein wenig mißvergnügter im ZickZack durche Bretterbuden des Weihnachtsmarktes am illuminierten Chlodwigplatz zurück zum Aldier-Sued, mich langsam mit dem Gedanken vertraut machend, daß ich beim nächsten, 4. Gang, das Stahlross mit versperrtem Hinterrad, unter den argwöhnischen Blicken der Glühweingeschwängerten, die sich von „Last Christmas“ zuschnulzen“ lassen, in meine Hütte tragen muß,
nomma rininn Aldier, diesmal frag ich den anderen Kassierer:“ Hat jemand bei Ihnen einen Radschlüssel abgegeben ? „nö, aber fragen Sie doch mal die Kollegin,“ rüber zur Kasse Nr 3: “ Hat jemand bei Ihnen einen Radschlüssel abgegeben ?" die kleine, dicke Kassiererin, dreht sich hin&her auf ihrem Drehstuhl, vor & zurück, zurück & vor, kramt & sucht, sucht & kramt,
und plötzlich fragt sie:„isett dieser hier“ und hält einen Radschlüssel inna Hand:
DA ISSA !
stammel ein: Oh, das ist aber geil,
und vielen Dank auch,
und schönes Wochenende
und frohe Weihnachten
und ewiges Leben
und überhaupt und alles
und tschö,
und eile hinaus in die Kälte,
und als ich glücklich das Rad aufschließe, steht vorm Aldier immer noch die ahnungslose Mutti mit weinendem Kleingemüse aufm Arm, die ich jetzt hemmungslos zutexte: "Wissen Sie, was mir gerade passiert ist ?" und sie muß sich die ganze Geschichte vom verlorenen Radschlüssel anhören, und plötzlich beruhigt sich das Baby auf ihrem Arm und schaut mich sprachlos an, und schenkt mir mit offenem Mund und verheulten Augen fast so etwas,
wie ein Lächeln.