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fliegen&sudoku

von Hinrich Franck

Ganz früher hatte ich Angst vorm Fliegen, je näher der Abflug kam, desto flauer mein Magen, die Nacht davor schlaflos, am Tag der Reise, zu hoher Puls, zu flüssiger Darm, auf den Puppengesichtern der Professionellen versuchte ich den bevorstehenden Absturz an unregelmäßigen Wimpernschlägen zu erkennen, und wenn eine etwas zu hektisch den Gang runter lief, weil sie eine Serviette vergessen hatte, war ich sicher: Ok, das wars. Eigentlich hattest Du nganz schönes Leben, wer kommt alles zur Beerdigung ?

Dann: Kindheitstraum, hoch oben in weissen Wolken, segelnd zwischen Drachen in warmen Sonnenstrahlen und Möwen im Wind, seh ich sie stehen an meinem Grab, heute muß ich wöchentlich fliegen, überhöre jedes Geräusch, Gerumpel und Getöse, strafe die Routinen der Crew mit Desinteresse und Landungsklatscher mit Verachtung, und die schwitzenden Finger sind der abgestumpften Gleichgültigkeit gewichen, die ein Schaf hat, wenn es mit der Herde zum Transporter getrieben wird, dazu mein Flugritual, das sehr schwere Sudoku aus der Tageszeitung, und während die Mitreisenden beim Wettlauf um die letzte abgesetzte whatsapp auf ihre elektronischen Devices starren, falte ich verkniffen aber zielgerichtet, das Feuilleton solange, ( dabei greife ich mit ausgefahrenen Armen dp soviel Raum, wie einem Billigflieger zusteht, ) bis es schließlich leicht gebogen auf dem Oberschenkel platziert ist, Blei und Ratzefummel auf Standby, by Nachtflügen schnell noch über mir die Funzel gedrückt, während aber nun das Zahlenraten in U-, S-Bahn oder Zubringerbus den Puls auf schlapp pumpende 70 verlangsamt, mußte ich schon feststellen, daß sich bei Start und Landeanflug, kleine Fehler mit schwerwiegenden Folgen einschleichen, und dann wünsche ich mir mal wieder, wäre ich doch COOL ! Und könnte während sich der Germanwings Flieger senkrecht Richtung Erde bohrt, voll entspannt weiter nach der richtigen Zahl suchen, arbeite dran, klappt aber noch nicht so ganz, auch, weil mein Nachbar die ganze Zeit heimlich miträt, bin so gezwungen, das durch einen Flüchtigkeitsfehler beim Abheben verdorbene Sudoku bis zur Landung mit Zahlen auszufüllen, weil ich ihm die Schadenfreude nicht gönne und insgeheim glaube, daß er die kleinen Zahlen SO genau von der Seite auch nicht erkennen kann, FERTIG ! das mit falschen Zahlen ausgefüllte Sudoku auf dem Schoß, lehne ich mich entspannt zurück, aber richtig freuen kannichmichnich, etwas brodelt in mir, dabei liegt alles nur daran, daß da noch ein kleiner Fleck ist, den man irgendwie nicht richtig raus bekommt: Angst vorm Fliegen, von ganz früher.

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